Die alte Zentralbank-Zweigstelle St. Marx wird renoviert und ab 2024 vom Brut bespielt.

Foto: Franzi Kreis

Wien – Noch prangt am alten Putz der Fassade der Schriftzug "Raiffeisen Landesbank", am Eingang des Hauses hat man zum Medientermin aber bereits ein Banner des Brut gehisst. Die lange Suche hat ein Ende, Wiens wichtigstes Theater für performative und experimentelle Kunst hat nach dem erzwungenen Auszug aus dem Künstlerhaus am Karlsplatz ein neues Zuhause gefunden: das alte Bankhaus an der Karl-Farkas-Gasse im Stadtenwicklungsgebiet St. Marx.

Schräg gegenüber steht die Marx-Halle mit Michael Niavaranis Kabarettbühne Globe, direkt gegenüber wird irgendwann eine neue Eventhalle entstehen, die die Stadthalle ablösen soll. Das alte Bankhaus ist als Backsteinbau aus der Gründerzeit wie alle historischen Gebäude auf dem ehemaligen Schlachthofareal St. Marx teils denkmalgeschützt, an der Eignung für einen Theaterbetrieb und für großzügige Umbauten ändert das aber offenbar nichts.

700 Quadratmeter mehr als bisher

Denn die Stadt Wien, in deren Eigentum sich das Haus befindet und die es bislang als Verwaltungsgebäude nutzte, will die geschätzte Summe von 6,9 Millionen Euro investieren. Nach einer kompletten Generalsanierung sollen Flächen für Proben- und Spielbetrieb, Verwaltung, Lager, Gastronomie und eine Besucherterrasse entstehen. 1.800 Quadratmeter Nutzfläche sind für künstlerische Produktionen angedacht, das sind 700 Quadratmeter mehr, als das Brut bisher im Künstlerhaus zur Verfügung hatte. 400 Besucher wird es fassen können. Nach einem Planungs- und Bewilligungsverfahren, das sofort beginnt, soll im Herbst 2021 der Umbau beginnen und 2024 eröffnet werden.

Bis dahin werde sich St. Marx, wo derzeit vor allem zahlreiche Medienbetriebe untergebracht sind, stark weiterentwickeln, glauben die zuständige Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ebenso wie Brut-Leiterin Kira Kirsch. Man müsse "in der Stadt neue Orte erschließen", heißt es, wenngleich Kaup-Hasler den Schritt weniger mit ihrer Forderung nach mehr "dezentraler Kultur" in der Stadt verbunden sehen will. "Dezentralität" setzt auch Kirsch lieber unter Anführungszeichen. Sie hält die Debatte über Zentrum und Peripherie "verglichen mit anderen Großstädten für eine sehr wienerische". Dass die Standortsuche nach "vielen Hoffnungsrunden und Irrläufen" (unter anderem war lange Zeit das Areal Augarten im Gespräch) nun in St. Marx endet, löst auch beim Brut-Geschäftsführer Richard Schweitzer ausschließlich Begeisterung aus. Wehmut über den Auszug aus dem Künstlerhaus war keine mehr zu vernehmen.

Haselsteiner steuert 500.000 Euro bei

Auf der Seite der Künstler sieht das anders aus. Die Szene reagierte erbost darüber, dass das Künstlerhaus am Karlsplatz aufgegeben wurde, nachdem Eigentümer und Generalsanierer Hans Peter Haselsteiner keine Bereitschaft gezeigt hatte, die erforderlichen fünf Millionen für die Sanierung des Brut-Trakts aufzuwenden, und sich dort nun die Albertina modern breitmachen darf.

Die Stadt wiederum wollte keine Millionen in ein Haus investieren, das nicht ihr gehört, und so begab man sich auf die Suche nach Alternativen, die mehr Sicherheit und langfristige Perspektiven für die freie Szene bieten. Haselsteiner will jedenfalls nicht als Vergrauler des Brut dastehen, weswegen er 500.000 Euro zur Entwicklung des neuen Standorts beisteuert.

IG fühlte sich ausgeschlossen

Die IG Freie Theater machte bei der Präsentation des Projekts ihrem Ärger Luft, wonach die freie Szene nicht in die Planungen eingebunden gewesen sei. Kaup-Hasler hielt dagegen, dass es in einer so schwierigen Frage nicht immer möglich sei, "alles zur Diskussion zu stellen". Dann würde man nämlich "nirgendwo hinkommen".

Das vom Bund, der Stadt Wien und der EU geförderte Brut wird einen Teil der Umbaukosten über seinen Mietvertrag mit der Stadt, den es für vorerst 25 Jahre abschließt, zurückzahlen. Bis zur Eröffnung des neuen Standorts gibt es auch ein großflächiges Ausweichquartier: eine Zwischennutzung in der 1.800 Quadratmeter großen Nordwestbahnhalle der ÖBB. (Stefan Weiss, 11.9.2020)